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Die Fähigkeit, die Geschwindigkeit eines herannahenden Fahrzeugs realistisch einzuschätzen, ist eine komplexe kognitive Leistung und zählt zu den größten Herausforderungen für Kinder im Straßenverkehr. Dabei geht es nicht nur um reine Sinneswahrnehmung, sondern auch um Erfahrung, Reaktionsvermögen und eine altersgemäße Reife in der Gefahreneinschätzung.

Kinder können Geschwindigkeiten nicht messen, sie müssen sie einschätzen – anhand von Geräuschen, Bewegung und deren Veränderung im Raum sowie durch Kontrast zum Hintergrund. Diese Fähigkeit entwickelt sich jedoch schrittweise und ist stark vom Entwicklungsstand des Kindes abhängig.

Die Verkehrsforschung zeigt: Kinder unter 9 Jahren haben große Schwierigkeiten, die Geschwindigkeit und Entfernung eines sich nähernden Fahrzeugs zuverlässig einzuschätzen – insbesondere, wenn sich das Fahrzeug sehr schnell bewegt oder lautlos ist (z. B. Elektroautos).

Das liegt an mehreren entwicklungsbedingten Faktoren:

  • Die Fähigkeit zur konstanten Geschwindigkeitswahrnehmung (visuell und auditiv) ist im Vorschulalter noch sehr eingeschränkt.
  • Erst im Schulalter beginnen Kinder schrittweise, Bewegung relativ zur eigenen Position zu verstehen und auf Basis dieser Information Entscheidungen zu treffen.
  • Die Verknüpfung mehrerer Reize (z. B. Geräusch plus Entfernung plus Bewegung) gelingt erst mit zunehmender (Hirn-)Reife und durch wiederholte Erfahrung im echten Straßenverkehr.

Laut entwicklungspsychologischen Studien (u. a. Limbourg, 2008 [1]) ist frühestens ab etwa 9–10 Jahren ein präventives Verkehrsverhalten zu erwarten, also eine bewusste Anwendung von gelernten Strategien zur Gefahrenvermeidung – beispielsweise: „Dieses Auto ist schnell, ich warte lieber.“

[1] Limbourg M. (2008). Kinder unterwegs im Straßenverkehr. Prävention in NRW 12. Düsseldorf
Ein Kind steht zwischen zwei parkenden Autos und schaut auf ein herannahendes Fahrzeug – eine typische, gefährliche Verkehrssituation mit eingeschränkter Sicht.
Bild: © Martin Nussbaum, Titelbild: © Mag. Alek Kawka

Glühbirne

Unsere Tipps an Sie:

Da Kinder Geschwindigkeiten und Entfernungen erst gegen Ende der Volksschulzeit zuverlässig einschätzen können, brauchen sie in den Jahren davor vor allem klare Orientierung und begleitete Erfahrung. Machen Sie Verkehrssituationen für Ihr Kind anschaulich, indem Sie beim gemeinsamen Gehen Ihr eigenes Verhalten kommentieren: „Das Auto kommt schneller, als es aussieht – wir warten lieber.“ So lernt Ihr Kind, worauf Erwachsene achten. Geben Sie einfache, konkrete Bezugspunkte, an denen sich Ihr Kind orientieren kann, etwa: „Du kannst gehen, solange das Auto noch vor dem rosa Haus ist. Wenn es beim rosa Haus ist, musst du warten.“